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Logopädische Praxis Kerstin Schlee

Für Menschen aller Altersstufen mit Sprachstörungen, Sprechstörungen, Stimmstörungen und Schluckstörungen.

Logopädie in der Phase F

Logopädie befasst sich mit der Diagnostik und Therapie von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen bei Menschen aller Altersstufen (vom Kleinkind bis zum Erwachsenen). Menschen, die eine logopädische Praxis nicht aufsuchen können, erhalten einen Hausbesuch. Das trifft auch für Wachkomapatienten zu. In der Phase F ist für Menschen im Wachkoma die logopädische Therapie eine notwendige Therapiedisziplin. Häufig wird Logopädie jedoch rein auf die Behandlung der Sprache reduziert. Da für Wachkomapatienten das Sprechen meistens nicht mehr das Mittel zur Kommunikation ist, wird Logopädie häufig nicht verordnet.

Es bedarf folglich der Information an die Ärzte, dass Logopädie eine weitaus größere Bandbreite an Inhalten vermittelt. Hervorzuheben sind besonders die Beratung, Begleitung und Therapie von Schluckstörungen, der Mundpflege und hinsichtlich des Trachealkanülenmanagements. Bezüglich dieser Themengebiete soll der folgende Text einen kurzen Einblick geben:

Schluckstörungen:

Die Betreuung von Menschen mit Schluckstörungen stellt an das gesamte Umfeld besonders hohe Anforderungen. Sie sind auf Hilfestellungen und Unterstützung von Pflegepersonal, Angehörigen, Therapeuten und Ärzten angewiesen. Die Tatsache, dass Menschen im Wachkoma über eine PEG-Sondenanlage versorgt werden, bedingt therapeutische Maßnahmen, damit das Schlucken, zumindest in Teilen, wieder gelernt werden kann. Viele schluckgestörte Menschen verfügen über keinen oder nur stark eingeschränkten Schluckreflex. Aus diesem Grund zielen therapeutische Maßnahmen darauf ab, diesen Schluckreflex und den Vorgang des Schluckens zu trainieren und zu verbessern. Hierfür wird die facio-orale Muskulatur stimuliert, Bewegungen des Kehlkopfes initiiert, Lippenschlussübungen angebahnt, die Kieferregulation unterstützt etc. Angebote an den Mund (orale Angebote) durch eine Zahnfleischstimulation mit Flüssigkeiten wie Kaffee, Saft, Tee usw. sorgen ebenso für Geschmacks- und Geruchserlebnisse wie der Einsatz von Kausäckchen, die z. B. mit Obst, Salami, Schinken, Bonbons etc. gefüllt sind. Muskuläre und nervale Funktionen werden angeregt, ein Nahrungsersatz geschaffen und somit Lebensqualität erzielt. Voraussetzung ist jedoch, dass orale Angebote regelmäßig in den Tagesablauf integriert werden und folglich der Mund eine hohe Intensität durch Stimulation erfährt.
Positive Entwicklungen sind bei den betroffenen Menschen sogar noch nach Jahren möglich. Konsequenz, Kontinuität und ein langer Atem in der Betreuung des facio-oralen-Traktes sind notwendig, um oralen Angeboten den Stellenwert einzuräumen, den ihnen gebührt.

Mundpflege:

In der logopädischen Therapie hat neben der Schlucktherapie auch die Mundpflege eine tragende Rolle. Sowohl die Durchführung als auch die Beratung und Anleitung von Pflegekräften, Angehörigen und Therapeuten anderer Disziplinen kann durch die Logopädie geschehen.
Die meisten Menschen mit Schädel-Hirn-Verletzungen benötigen bei der täglichen Mundpflege eine pflegerisch/therapeutische Unterstützung. Führen wir uns vor Augen, dass der Mundbereich ein Intimbereich ist, so müssen wir ihn mit Respekt und Wertschätzung betreten. Im Pflege- und Therapiealltag sind wir diejenigen, denen dieses Privileg zuteil wird. Wir dürfen einen Mundbereich betreten und ihn individuell versorgen! Die Tatsache, dass Menschen im Wachkoma, von vielen Pflegekräften / Therapeuten betreut werden, schafft jedoch ein Problem: es bestehen unterschiedliche Vorgehensweisen in der Durchführung der Mundpflege und bezüglich der Auswahl von Hilfsmitteln und Materialien. Das hat Unsicherheit, Missempfindungen und Ängste auf beiden Seiten zur Folge mit der Konsequenz, dass uns die Bewohnermünder verschlossen bleiben. Es werden im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne zusammengebissen.
Schnell heißt es dann: „Der Bewohner macht den Mund nicht auf und verweigert sich.“
Ich glaube nicht, dass unsere Bewohner uns damit sagen, dass sie keine Mundpflege möchten. Meiner Meinung nach vermitteln sie uns viel mehr: „So möchte ich die Mundpflege nicht!“. Denn auch wir kennen Situationen (z. B. beim Zahnarzt), in denen in unserem Intimbereich Mund mit allerlei unangenehmen Werkzeug gearbeitet wird und uns im schlimmsten Fall Schmerzen zugefügt werden.
Zu allem Überfluss noch in einer Lage (halb liegend), die uns recht hilflos macht und das Gefühl vermittelt, ausgeliefert zu sein. Aus diesem Grund darf das für die Durchführung der Mundpflege nur bedeuten: Sicherheit vermitteln, Vertrauen schaffen, adäquate Hilfsmittel einsetzen und nach Prinzipien arbeiten, die Struktur schaffen und wie ein Ritual immer wiederkehren. Denn auch wir haben bezüglich Mundpflege individuelle Rituale.

Was heißt es, nach den Prinzipien der Mundpflege zu arbeiten? Zunächst einmal, dass alle Menschen, die mit den Betroffenen arbeiten, die gleiche Vorgehensweise haben. Im Team sollten Mundpflegepläne erarbeitet, im Pflegeverlauf kontrolliert und ggf. verändert werden. Eine Notwendigkeit besteht darin, diese Abläufe transparent und präsent zu machen. Konkret kann das bedeuten, dass mit Symbolkarten, die entsprechende Kennzeichnungen und Eintragungen aufweisen, gearbeitet wird. Hängen diese Symbolkarten gut sichtbar in der unmittelbaren Nähe des Betroffenen, können alle aus dem Pflege/Therapeutenteam nachvollziehen, wie die Mundpflege durchzuführen ist. Gleiche Kenntnisstände hinsichtlich der Kontaktaufnahme über die Initialberührung erfüllt hierbei das Kriterium weit außerhalb des Gesichts zu beginnen. Denn: „Mundpflege beginnt nicht an den Lippen!“ Wenn alle diejenigen, die eine Mundpflege durchführen, den Mundraum nicht mehr komplex betrachten, sondern abschnittweise reinigen und stimulieren, kann das von den Betroffenen besser nachvollzogen werden. Spürinformationen durch unsere Hände entlang der Wangen zu den Lippen verdeutlichen den Weg zum Intimbereich Mund bevor wir ihn betreten.

Die individuelle Stelle, an der wir den Mundinnenraum betreten, ist ebenfalls auf den Symbolkarten sichtbar markiert, ebenso wie das weitere Vorgehen. Die eigentliche Versorgung der Mundhöhle kennzeichnet sich durch den Einsatz sehr weniger Hilfsmittel (Mullkompresse, Fingerzahnbürste oder Kinderzahnbürste). Die Pflegemittel sind individuell ausgewählt (keine scharfen Cremes, Spülungen), je nachdem ob Reizungen, Entzündungen oder Blutungen gepflegt werden, Geschmack vermittelt wird oder ein Frischegefühl erzeugt werden soll. Klare, eindeutige, langsame Impulse während der Durchführung unsererseits stärken somit die Wahrnehmung und das Gefühl im Mund. Sie können Bewegungen wie saugen, schmatzen und schlucken zur Folge haben.
Mundpflege bietet demnach die große Chance, unseren Bewohnern Lernangebote hinsichtlich aktiver Bewegungen im Gesichts- und Mundbereich zu vermitteln.
Mundpflege ist vielfach auch eine wichtige Vorbereitung auf das anschließende Essen und Trinken. Denn je mehr der Mundinnenraum gespürt wird, desto besser kann das anschließende Kauen und Schlucken vollzogen werden. Somit wird deutlich, dass eine pflegerisch/therapeutisch angebotene Mundpflege maßgeblich an der Steigerung der Lebensqualität beteiligt ist und einen fördernden Einfluss hat.

Trachealkanülenmanagement:

In der logopädischen Therapie von Menschen im Wachkoma nimmt die individuelle Begleitung und Versorgung mit einer adäquaten Trachealkanüle und den dazu gehörigen Hilfsmitteln einen großen Stellenwert ein.

Das begründet sich durch folgende, veränderte anatomische Verhältnisse: Das Ein- und Ausatmen verläuft nicht mehr wie ursprünglich durch die Nase und den Mund, passiert dann den Rachen und Kehlkopf, um den Weg durch die Luftröhre in das Bronchial- und Lungensystem zu finden. Der Gasaustausch verläuft nun durch die Trachealkanüle und einen Teil der Luftröhre in das Bronchial- und Lungensystem.
Das Legen einer Trachealkanüle kann durch verschiedene Umstände notwendig sein (z. B. Atemluft sicherstellen, Einengungen in der Luftröhre, schwere Schluckstörungen etc.). Die Tatsache, über eine Trachealkanüle ein- und auszuatmen, gewährleistet einen kürzeren und effektiveren Weg des Gasaustausches, da die o. g. Bereiche nicht durchlaufen werden müssen. Hierin liegt einerseits ein Vorteil, andererseits aber auch ein Nachteil. Aufgrund des nun fehlenden Luftstromes durch Nase, Mund, Rachen und Kehlkopf entstehen Sensibilitätsstörungen, weil der ständige Reiz der Atemluft in diesen Bereichen fehlt. Hinzu kommt, dass die Aufgaben der Nase (filtern, erwärmen und anfeuchten der Atemluft) wegfallen. Diese stetige Abbau von Sensibilität führt dazu, dass Fremdkörper nicht mehr gespürt werden und der Sekret-Abtransport eingeschränkt wird. Das wiederum hat zur Folge, dass motorische Reaktionen wie Schlucken, Räuspern und Husten ausbleiben. Wir sprechen daher von einer so genannten Totraumfunktion oberhalb der Trachealkanüle. Riechen und Schmecken sind ebenfalls massiv eingeschränkt. Da die Ausatemluft nun nicht mehr auf die Stimmbänder trifft, ist das Sprechen zunächst nicht mehr möglich. Das stellt eine emotionale Belastung dar.

Komplikationen:

Fremdkörpergefühl, Borkenbildung an der Luftröhre, Bildung von überschüssigem Gewebe an der Stomaöffnung und Luftröhre, Blutungen, Entzündungen, Reizungen, nasses Tracheostoma, starke Schleim- und Sekretbildung.
Ein gutes Trachealkanülenmanagement entscheidet darüber, ob lebensbedrohliche Keimverschleppung bis hin zu Lungenentzündungen reduziert werden können.
Logopäden können somit im Rahmen eines individuellen, patientengerechten Trachealkanülenmanagements auf eine adäquate therapeutische Versorgung einwirken und Pflegekräften, Angehörigen und Ärzten beratend zur Seite stehen.

Folgend lesen Sie Notwendigkeiten, die sich aus meiner Arbeit mit den vielfältigen Erfahrungen und meinem Fachwissen ergeben haben.
Hinsichtlich des Kanülenmodells und den entsprechenden Hilfsmitteln bedarf es der Kraft aller im Team arbeitenden Menschen, dass diese sensibel beobachten, sich interdisziplinär austauschen und dementsprechend handeln. Das richtige Kanülenmodell zu finden bedeutet auf die Suche zu gehen, denn in den seltensten Fällen ist das in der Akutphase gelegte Kanülenmodell langfristig noch patientengerecht. Eine individuell ausgewählte Kanüle erfüllt Kriterien wie guten Tragekomfort, ausreichenden Gasaustausch, Schutz vor Aspiration durch eine Blockung und entscheidet maßgeblich über Reduzierung von Reizungen an der Luftröhre und/oder der Stomaöffnung, sowie über das Sekretaufkommen. Viele Menschen im Wachkoma tragen eine geblockte Kanüle, die meistens einen wöchentlichen Wechsel notwendig macht (bei starkem Sekretaufkommen ggf. häufiger). Zwischen den Wechseln ist jedoch das regelmäßige Entfernen des Sekretaufstaus oberhalb der Blockung wichtig, damit diese Keimherde nicht zu Folgeerkrankungen führen. Im Pflege-/Therapeutenteam muss dieses Management zeitlich abgestimmt werden. Die Liegedauer einer Kanüle von nicht selten 28 Tagen ist unverantwortlich, weil das Keimaufkommen ein großes Maß erreicht und ebenfalls Folgen wie Infektionen und Lungenentzündungen begünstigt. Tragen Menschen geblockte Kanülen, macht das Reinigen und Desinfizieren keinen Sinn, weil die Blockung porös wird und somit der Schutz der unteren Atemwege vor Aspiration durch Sekret und Speichel nicht mehr gewährleistet ist. Folglich sind geblockte Trachealkanülen Einmalartikel!
Diese Tatsache gilt es gegenüber Kostenträgern immer wieder deutlich zu machen, z. B. durch fachliche Darstellung mithilfe eines Berichtes des behandelnden Logopäden.

Des weiteren wird die Auswahl an Hilfsmitteln rund um die Trachealkanüle mit darüber entscheiden, ob Folgeerkrankungen vermieden werden können. Das gilt besonders für die Beobachtung der Stomaöffnung und der Umgebungshaut. Zur Pflege haben sich hier besonders Schaumstoff-Kompressen (im Gegensatz zu Metallinen-Kompressen) bewährt, die nicht mit der Haut verkleben, viel Sekret aufnehmen und Schäden an der Haut verhindern. Denn Ziel ist ein möglichst trockenes und reizloses Stoma. Dem Absaugen mit schleimhautschonenden, a-traumatischen Kathetern kommt im Rahmen der Hilfsmittelversorgung eine ebenso wichtige Rolle zu wie das Verwenden eines Cuffdruckmessers zum Blocken einer Trachealkanüle. Vielfach werden hierfür leider immer noch Spritzen verwendet.

Feuchte Nasen mit Schaumstoff übernehmen das Filtern, Erwärmen und Anfeuchten der Atemluft besser als die herkömmlichen mit Papiereinsatz. Das Verwenden von dick gepolsterten Haltebändern minimiert die Gefahr des Abschnürens von Blutgefäßen im Hals-Nacken-Bereich. Es wird also deutlich, wie wichtig das fortlaufende Optimieren des Trachealkanülenmanagements ist, eine Logopädin kann hierbei beratend zur Seite stehen.

In der logopädischen Therapie bei tracheotomierten Menschen kommen des weiteren Übungen zur Verbesserung der Motorik und Sensibilität im facio-oralen Bereich, sowie für den Rachen und Kehlkopf zum Tragen. Für manche Wachkomapatienten wird das Training mit einem Sprechventil möglich sein, das durch Atemtherapie begleitet wird.
Durch ein Sprechventil kann die Ausatemluft den Kehlkopf-, Rachen-, Mund- und Nasentrakt passieren, die Abschnitte gut belüften und eventuell eine Stimmbildung ermöglichen.

Abschließende Gedanken:

Die Ausführungen der beschriebenen Arbeitsschwerpunkte der Logopädie in der Phase F ergänzen sich durch die individuelle, fachliche Weiterqualifikation der jeweiligen Therapeutin. Mit Basaler Stimulation, Kinästhetik, Bobath, Intensivtherapeutischem Führen, Aromatherapie etc. sind hier nur einige Konzepte genannt, die im Rahmen der logopädischen Behandlung Anwendung finden. Auch die Therapiedisziplin Logopädie ist ein auf Langfristigkeit ausgelegtes Heilmittel, welches erheblich zur Lebensqualität, Funktionserhaltung des Atem- und Schlucktraktes und zur Reduzierung Folgeerkrankungen bei Menschen im Wachkoma beiträgt.